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Wie du deine Gewohnheiten ändern kannst

Atomic Habits von James Clear

Das erwartet dich in diesem Artikel

James Clear gibt in "Atomic Habits" ein Rezept für neue Gewohnheiten: Mache sie offensichtlich, attraktiv, einfach und befriedigend. Wenn du dir hingegen schlechte Gewohnheit abgewöhnen willst, musst du sie unsichtbar, unattraktiv, schwierig und unbefriedigend machen. Auf diese Weise kannst du Fortschritte auf dem Weg zu deiner neuen Identität machen. Zudem gibt es Tipps für einen Habit Tracker, mit dem du dich stetig verbessern kannst.


Die vier Regeln der Verhaltensänderung

James Clear, der Autor von "Atomic Habits", hat in seinem Buch vier Regeln der Verhaltensänderung aufgestellt. Im ersten Teil dieser kleinen Reihe habe ich dir aufgezeigt, nach welcher Reihenfolge Gewohnheiten ablaufen: Auf ein Stichwort folgt ein Verlangen mit einer Antwort und der abschließenden Belohnung. Im Buch werden den folgenden vier Gesetzen jeweils ganze Kapitel gewidmet. Sie stellen den Schwerpunkt dar und sind Gegenstand des zweiten Teils dieser Buchbesprechung.

Das erste Gesetz - Mach' es offensichtlich

"Mach' es offensichtlich" ist das erste Gesetz der Verhaltensänderung. Wenn ich eine neue Gewohnheit annehmen möchte, sollte ich das Stichwort oder den Auslöser dieser Gewohnheit für mich offensichtlich und damit leicht wahrnehmbar machen. Denn nach James Clear ist der Hauptauslöser einer Gewohnheit, egal ob gut oder schlecht, der Kontext. Deine Umgebung sollte also so gestaltet sein, dass sie die besten Gewohnheiten anregt:

  • Wer mehr Wasser trinken möchte, sollte sich am Vorabend gefüllte Flaschen mit Wasser und ein Glas aufstellen.
  • Wer morgens vor der Arbeit eine Runde laufen gehen möchte, sollte sich die Laufklamotten abends rauslegen. Ich habe das ausprobiert. Es ist ein bisschen leichter loszulaufen, weil eben alles schon da liegt und man eine Ausrede weniger hat.
  • Wer mehr lesen möchte, sollte sein Buch auf den Nachttisch legen, damit er sich daran erinnert zu lesen, bevor er ins Bett geht.

Zudem empfiehlt er, dass man eine gute Gewohnheit mit einer weiteren gewünschten verbindet ("Habit stacking"). Ich schreibe meine Morning Pages nach der Meditation und danach gibt es etwas Sport. Für mich funktioniert "Habit Stacking".

 

Und was ist, wenn ich mit einer schlechten Gewohnheit aufhören möchte?

Umgekehrt funktioniert das erste Gesetz natürlich auch. Aus "Mach' es offentsichtlich." wird "Mach' es unsichtbar." Damit kann das Handy gemeint sein, das nicht mehr im Greifraum liegt oder sogar in einem ganz anderen Zimmer. Damit kann aber auch gemeint sein, dass du die App, auf der du viel unproduktive Zeit verbringst, von deinem Handy löschst und es damit noch ein Stückchen schwieriger machst auf ihr Zeit zu verbringen. Und wenn du weniger Zeit mit Fernsehen vor dem Schlafen gehen verbringen möchtest, mach' den Fernseher dort "unsichtbar" und verbanne ihn gleich ganz aus dem Schlafzimmer.

Das zweite Gesetz - Mach' es attraktiv

 

"We have the brains of our ancestors but temptations they never had to face." -

James Clear

 

Ein Beispiel, das er dafür gibt, ist Fast Food. Nach tausenden Jahren des Jagens und Sammelns in der Wildnis hat das menschliche Gehirn für Salz, Zucker und Fett ein hohes Verlangen angelegt. In unserer modernen Nahrungsmittelindustrie kommen allerdings regelmäßig verarbeitete Lebensmittel daher, die Salz, Zucker und Fett sowie eine hohe Kaloriendichte im Überfluss beinhalten. Ein Beispiel dafür ist Fast Food. Solches Essen, wonach sich unsere Vorfahren noch gesehnt haben, ist also keine Ausnahme mehr, sondern die Regel geworden. Dieses Verlangen belegt aber auch sein zweites Gesetz: Die Aufnahme von Salz, Zucker und Fett machen eine Gewohnheit attraktiv - in diesem Fall allerdings eine schlechte.

 

Woher kommt das Verlangen?

Jede Gewohnheit hat ein oberflächliches und tieferes Level. Einige klassische zugrunde liegende Motive auf der tieferen Ebene sind:

  • Energie sparen
  • Nahrung und Wasser aufnehmen
  • Geliebt werden und sich vermehren
  • Soziale Akzeptanz und Anerkennung finden
  • Unsicherheiten reduzieren
  • Status und Prestige erreichen

Ein Verlangen, das eine Gewohnheit zur Folge hat, ist also eine Manifestation für ein darunter liegendes tieferes Motiv:

  • Auf Instagram zu posten mag also den Wunsch nach sozialer Akzeptanz und Anerkennung befriedigen.
  • Die Google-Suche mag deine Unsicherheiten durch Antworten reduzieren.

Unsere heutigen Gewohnheiten sind moderne Lösungen für antiquiertes Verhalten.

Das dritte Gesetz - Mach' es einfach

Der erste Gedanke dieses Kapitels hat mich gleich gekriegt, weil mir das beschriebene Verhalten durchaus bekannt vorkommt. Clear beschreibt den Unterschied zwischen "being in motion and taking action". Was sich ähnlich anhört, ist durchaus unterschiedlich. In Bewegung sein lässt sich mit Planen, eine Strategie überlegen oder Lernen beschreiben. Das ist alles gut, führt aber nicht zu einem Ergebnis. Handeln hingegen generiert ein Ergebnis. Das Aufschreiben von 20 Ideen, die man zu einem Blogpost verarbeiten könnte, definiert er als "in Bewegung sein". Das Schreiben eines Blogposts ist hingegen "handeln". Warum sind wir also in Bewegung und handeln nicht? Weil sich in Bewegung sein (fast) so anfühlt, als ob wir handeln würden und Fortschritte machen. Dies allerdings ohne die Gefahr, dass etwas schief gehen könnte. Wir produzieren ja auch nichts. Für deine 20 Ideen für spätere Blogposts kannst du nicht kritisiert werden. Es bekommt sie auch keine zu Gesicht Für einen veröffentlichten Blogpost hingegen schon.

 

Clear's These für das Schaffen neuer Gewohnheiten ist daher, dass man ins Handeln kommen muss. Es ist ein Prozess, der nur durch Wiederholung automatisiert wird. Die "Habit Line", die er in der o.g. Graphik skizziert, illustriert diesen Prozess. An Punkt A benötigt eine neue Gewohnheit einen gehörigen bewussten Aufwand. Nach ein paar Wiederholungen (Punkt B) wird das Ausüben dieser Gewohnheit leichter, braucht aber immer noch eine bewusste Handlung. Erst bei Punkt C, an dem du die "Habit Line" überschritten hast und diese Gewohnheit ohne Nachzudenken ausführen kannst, wurde diese nachhaltig geformt. Demnach sollte die Frage auch nicht sein, wie lange es dauert eine Gewohnheit zu erlernen, sondern wie viele Wiederholungen man dafür machen sollte. Und natürlich kommt es nicht nur auf die Zahl der Wiederholungen, sondern auf die Frequenz an. Wie so häufig sind regelmäßige und kurze Wiederholungen für das Bilden von Gewohnheiten wesentlich sinnvoller als wenige lange Wiederholungen.

 

Die 2-Minuten Regel

Ein großer Feind guter Gewohnheiten ist Prokrastination oder die im Deutschen umschriebene "Aufschieberitis". Mit der 2-Minuten-Regel gibt der Autor dem Leser eine Methode an die Hand, um Prokrastination zu begegnen. Am Beginn einer jeden neuen Gewohnheit sollte ihr Ausüben lediglich zwei Minuten andauern. Man fängt mit der neue Gewohnheit an, führt sie zwei Minuten aus und beendet sie. Damit macht man den Widerstand sehr gering und erhöht die Wahrscheinlichkeit sie überhaupt auszuführen.

 

  • Aus „Vor dem Einschlafen lesen" wird „Eine Seite lesen"
  • Aus „Einen Artikel schreiben" wird „Öffne das Laptop"
  • Aus „Falten der gewaschenen Wäsche" wird „Falte ein einziges paar Socken"

Die 2-Minuten Regel folgt also dem dritten Gesetz: Mach' es einfach. Eine Gewohnheit sollte nämlich zunächst etabliert werden, bevor sie verbessert werden kann.

Das vierte Gesetz - Mach' es befriedigend

Im letzten Teil des Buches „Atomic Habits” spricht Clear über die Belohnung. Menschen werden eine Gewohnheit eher wiederholen, wenn ihr Abschluss für sie befriedigend ist. Das gilt für gute und schlechte Gewohnheiten gleichermaßen. Unser Gehirn schult uns darauf, dass wir etwas wiederholen, wenn es uns Vergnügen bereitet hat. Die ersten drei Gesetze der Verhaltensänderung sorgen dafür, dass eine Gewohnheit im Moment durchgeführt und vollzogen wird. Das vierte Gesetz führt hingegen dazu, dass sie wiederholt wird. Ein "Habit Loop" wird ausgelöst. Ohne das vierte Gesetz kann also keine Nachhaltigkeit im Etablieren von Gewohnheiten erzeugt werden. Auch das gilt im Fall negativer Gewohnheiten genauso. Wenn eine negative Gewohnheit keine Befriedigung mehr beinhaltet, wird sie nicht wiederholt.

 

Der Unterschied zwischen unmittelbarer und verzögerter Belohnung

Oftmals werden wir heutzutage für einen Aufwand, den wir betreiben, nicht unmittelbar belohnt. Die zehn gelesenen Seiten im Buch machen keinen Bildungsbürger aus uns, der einmalige abendliche Lauf keinen Marathonläufer. Und genauso macht uns die nicht gegessene Tüte Chips nicht gleich schlank und bringt uns den gesunden Lebensstil. Laut Clear leben wir in einem "delayed-return environment". Aber unser Gehirn ist dafür nicht ausgerichtet. Im Gegenteil, "instant gratification" steht hoch im Kurs in unserem unbewussten Verhalten. Ob unsere Vorfahren vor dem Gewitter in eine Höhle geflüchtet sind oder einem gefährlichen Tier entkommen sind. Sofortige Befriedigung war (überlebens-)wichtiger, als die weit entfernte Zukunft.

 

Dazu kommt, dass die Konsequenzen schlechter Gewohnheiten in der Regel später eintreffen und die Belohnungen immer sofort stattfinden. Rauchen sorgt nicht unmittelbar für ein Lungenkarzinom. Die Tüte Chips macht dich nicht sofort übergewichtig und fettleibig. Aber das Wohlgefühl, also die Belohnung, ist in beiden Fällen sofort da.

 

Bei guten Gewohnheiten ist es leider umgekehrt: Das unmittelbare Ergebnis befriedigt nicht unbedingt, die Belohnung folgt erst in der Zukunft. Da unser Gehirn Belohnungen im Hier und Jetzt priorisiert, können wir uns nicht auf vermeintlich gute Absichten beschränken. Wenn es zum Moment der Entscheidung kommt, mag die "instant gratification" aufgrund unserer Prägung gewinnen. Wir scrollen doch durch Instagram anstatt ein Buch zu lesen. Der Autor schlägt daher die Incentivierung guter Gewohnheiten als kleine Starthilfe während der Eingewöhnung vor. Für jede eingesparte Zigarettenpackung gehen sieben Euro ins Sparschwein mit der Aufschrift "Urlaub in Italien". Incentivierung mag zwar dabei helfen eine Gewohnheit zu starten, der Wunsch nach der Identität, die wir annehmen wollen, ist aber die Kraft, die sie nachhaltig macht.

Habit Tracker

Auszug aus meinem Habit Tracker
Habit Tracking kann ein wirksamer Verstärker guter Gewohnheiten sein.

Fortschritte auf dem Weg zu seiner neuen Identität zu machen, ist befriedigend und motiviert für die nächsten Schritte. Aber Fortschritt bei Gewohnheiten ist nicht immer sichtbar. Ein "Habit Tracker" ist ein Werkzeug, um Sichtbarkeit in Gewohnheiten zu bringen. Zudem kann man für Gewohnheiten, die man täglich umsetzen möchte, eine Regel aufstellen: "Never miss twice." Am Montag hast du die Woche motiviert mit einer Sporteinheit begonnen, aber Dienstag keine Lust gehabt. "Never miss twice" heißt, dass du Mittwoch wieder ran musst, um nicht zwei Tage am Stück auszusetzen.

 

Ich nutze seit einigen Monaten einen Habit Tracker, dessen Screenshot du oben sehen kannst. Ich habe mir tägliche, wöchentliche und monatliche Gewohnheiten angelegt, die ich tracke. Und meist führt bei mir die eine zur anderen Gewohnheit ("Habit Stacking"). Nachdem ich meditiere, schreibe ich häufig Morning Pages und danach mache ich Sport. Produktiv sein und sich produktiv fühlen sind für mich wichtige Bausteine, um zufrieden zu sein. Vielleicht ist ein Habit Tracker auch etwas für dich.

 

Einmal in der Woche kannst du dann deinen Habit Tracker durchsehen und prüfen, ob du dich mit deinen Gewohnheiten so entwickelst, wie du dir das wünschst. Wenn nicht, kannst du dich fragen, ob die Gewohnheit zu groß oder zu schwierig ist, um sie zu starten. Dann kannst du sie anpassen und die nächste Woche in Angriff nehmen. Wenn du Inspiration und Beispiele für Gewohnheiten deines Habit Trackers brauchst, kannst du sie hier finden. Ich habe meine Gewohnheiten im Habit Tracker zudem nach dem "Design your life"-Prozess angelegt, den ich dir jüngst in einem Artikel beschrieben habe. Da ich nun mit einigen täglichen Gewohnheiten in Richtung meiner Ziele unterwegs bin, fällt es mir - vor allem in der Gewöhnungsphase - etwas weniger schwer sie umzusetzen.

Quellen

Fazit


Nach den Grundlagen von Gewohnheiten in Teil 1 dieser kleinen Serie, den ich dir sehr empfehle, habe ich dir in diesem Artikel die vier Gesetze der Verhaltensänderung beschrieben. Mach' es offensichtlich, attraktiv, einfach und befriedigend ist das Rezept von James Clear in "Atomic Habits". Mir gefällt gerade dieses Herunterbrechen auf die Funktionsweise unseres Bewusstseins und Unterbewusstseins so gut an diesem Buch, das zu einem meiner absoluten Lieblingsbücher geworden ist. Meine Highlights sind:

  • Das schrittweise Verändern von Gewohnheiten ist wirksamer als eine vermeintlich lebensverändernde Entscheidung.
  • Beachte die Relevanz des Kontexts für das Ritualisieren neuer bzw. das ändern schlechter Gewohnheiten.
  • Gewohnheiten müssen offensichtlich, attraktiv, leicht und befriedigend sein, damit du sie beibehältst.
  • Das Aufbauen eines Systems ist bei Gewohnheiten wichtiger, als das Erreichen von Zielen.
  • Gewohnheiten müssen aus deiner Identität von innen nach außen abgeleitet werden, um nachhaltig zu wirken.

Die "Atomic Habits" mögen individuell gesehen klein sein, aber als Kollektiv können diese Gewohnheiten auf Dauer eine bemerkenswerte Veränderung bei dir auslösen. Hast du das Buch schon gelesen? Möchtest du deine Gewohnheiten ändern oder erweitern? Schreib' mir gern deine Herangehensweise in die Kommentare oder per Email. Du kannst mir auch gern über Twitter, Facebook und Instagram kommentieren und schreiben. Wenn du keinen Artikel mehr verpassen willst, abonnier' gern meinen Newsletter.